Du bereitest dich mit deinem Team gerade gründlich auf euren Pitch für einen prestigeträchtigen Startup-Award vor. Smart wie ihr seid, wollt ihr nichts dem Zufall überlassen. Auch nicht, wer und viele denn nun präsentieren sollen. Schwierige Frage, denn:
Einerseits hat M. die mit Abstand besten Kommunikations-Skills im Team und einen exzellenten Überblick über das gesamte Startup.
Andererseits sind die anderen 4 Teammitglieder genauso wichtig für das Gelingen des gesamten Projekts. Präsentieren nicht auch sie, könnte die Audience doch denken, M. ist hauptverantwortlich für alles. Wie löst du das?
Du hast 10 Minuten – und jede Sekunde zählt
Jeder, der schon mal einen Pitch vorbereitet hat und seine Vortragsdauer auf exakt 10 Minuten begrenzen musste, weiß, wie vieler Kürzungsschleifen es bedarf, um den Pitch tatsächlich so kurz zu bekommen, ohne dass er an Substanz verliert.
Es ist also auch ohne Sprecherwechsel schwer genug, in der Zeit zu bleiben.
„Hey, komm“, denkst du, „ein Speakerwechsel während des Pitchs dauert genau 0 Sekunden – wir proben das ja anständig. Was hat das denn mit dem Timing zu tun?!“
Tatsächlich dauert jeder Wechsel des Speakers laut verschiedener Studien 20 bis 30 Sekunden. So lange jedenfalls dauert es, bis das Publikum mental in der Lage ist, einer neuen Person wirklich zuzuhören.
Du hast nämlich bei jedem Wechsel des Vortragenden einen mächtigen Gegenspieler: Das menschliche Gehirn.
Und jetzt: Auftritt Thin Slicing-Effect.
Der Thin Slicing-Effect
Dieser Effekt – zu Deutsch: Ersteindruckseffekt – ist ein psychologisches Phänomen, bei dem unser Gehirn Schlüsse aus minimalen Informationen zieht: Mimik, Gestik, Stimme, Attitüde.
Es ist wie ein mentaler Kurzfilm, den unser Hirn in Sekundenschnelle zusammenschnippelt. Wir nehmen diese Person wahr und schätzen sie – zumindest vorläufig – ein.
Innerhalb von Sekunden haben wir ein Gefühl zu dieser Person. Das gibt uns Sicherheit und hilft uns, und ein Bild von der Person zu machen, die uns da was erzählt: Finden wir sie sympathisch? Glaubwürdig? Halten wir sie für kompetent? Wollen wir ihr vertrauen?
Aber: Wenn es darum geht, nacheinander mehrere Personen einschätezn zu lassen und wenn du noch dazu unter Zeitdruck stehst, wird diese unbewusste Ersteinschätzung zu deinem Endgegner.
Denn während dieser 20–30 Sekunden ist das Publikum vollauf genau damit beschäftigt. Da ist kein Raum mehr in ihrer Wahrnehmung für das, WAS diese Person in dieser Zeit sagt. Man hört ihr inhaltlich nicht zu.
Jeder Sprecherwechsel in deinem Pitch ist also wie ein kleiner Reset-Knopf im Kopf der Audience und der Jury. Klick – und schon müssen sie sich erstmal neu orientieren.
Ok, das kostet Zeit. Lächerliche 20–30 Sekunden. Klingt für dich immer noch verschmerzbar?
Rechne selbst nach: Bei einem 10-minütigen Pitch mit 5 Sprechern und jeweils 25 Sekunden Umstellungszeit verlierst du satte 100 Sekunden, also insgesamt fast 2 Minuten lang die kognitive Aufnahmefähigkeit deines Publikums. Das sind fast 17 % deiner Präsentationszeit.
GreenGrowth’s Award-Pitch-Dilemma
Nehmen wir GreenGrowth, ein innovatives Vertical Farming-Startup. Ihr 5-köpfiges Gründerteam steht vor der Entscheidung: Alle präsentieren oder nur CEO Sarah?
Szenario 1: Das ganze Team präsentiert
- 10 Minuten Pitch-Zeit
- 5 Sprecher, 4 Wechsel
- 25 Sekunden durchschnittliche Umstellungszeit pro Wechsel
- Ergebnis: 100 Sekunden „verloren“ – das sind 16,67 %, also ein Sechstel der gesamten Pitch-Zeit
Szenario 2: Nur Sarah präsentiert
- 10 Minuten Pitch-Zeit
- 1 Sprecherin, kein Wechsel
- Ergebnis: 0 Sekunden verloren, volle 600 Sekunden Präsentationszeit
Der Unterschied mag marginal erscheinen. Aber in der hochkompetitiven Welt der Startup-Awards können 100 Sekunden über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Vor- und Nachteile mehrerer Sprecher
Aber mal abgesehen vom Zeitfaktor: Was spricht denn sonst für und gegen mehrere Speaker?
Vorteile mehrerer Sprecher
- Teamdynamik live erleben: Mehrere Sprecher können die Zusammenarbeit im Team demonstrieren. Es ist wie eine Live-Performance eurer Startup-Band.
- Nervosität splitten: Nicht jeder ist ein geborener Redner. Die Last auf mehrere Schultern zu verteilen, kann den Druck mindern.
- Expertenwissen aus erster Hand: Dein CTO kann technische Zusammenhänge vielleicht besser erklären als du. Live und in Farbe.
- Abwechslung fürs Publikum: Verschiedene Stimmen und Persönlichkeiten können den Pitch lebendiger machen.
- Übergabe-Spielereien: Gut einstudierte Übergaben zwischen Sprechern können cool wirken und die Aufmerksamkeit catchen. Immer vorausgesetzt, sie klappen 😉
Nachteile mehrerer Sprecher
- Der Thin Slicing-Effekt: Hatten wir ja schon ausführlich. Jeder Sprecherwechsel kostet Zeit und bringt Aufmerksamkeitsdefizite mit sich.
- Stilbrüche: Nicht jeder präsentiert gleich. Unterschiedliche Stile können verwirrend wirken.
- Probe, Probe, Probe: Je mehr Sprecher, desto komplexer die Vorbereitung. Und desto höher das Risiko, dass etwas schiefgeht.
- Zuschauer-Konfusion: Wer war jetzt nochmal wer? Und was war seine Funktion im Team? Bei zu vielen Gesichtern kann das Publikum den Überblick verlieren.
- Technische Tücken: Jeder Sprecherwechsel ist eine Chance für das Mikrofon, sich gegen euch zu verschwören. Glaub mir, ich hab’s erlebt.
Psychologie der Pitch-Wahrnehmung: Warum weniger Speaker oft mehr sind
Du merkst schon: Mein Plädoyer geht ganz klar in diese Richtung: Ein Speaker ist besser als mehrere für die optimale Pitch Präsentation. Hier noch ein paar psychologische Argumente dazu:
Der Halo-Effect in Pitch-Situationen
Der Halo-Effekt („Halo“ = Heiligenschein) ist ein psychologisches Phänomen, bei dem ein einzelnes hervorstechendes Merkmal einer Person die Wahrnehmung und Beurteilung ihrer anderen Eigenschaften überstrahlt und beeinflusst – oder die Wahrnehmung des gesamten Teams bzw. Startups.
Das kann für dich in Pitch-Situationen Gold wert sein: Wähle den stärksten und charismatischsten Kommunikator im Team als Speaker. Wenn er oder sie brilliert, strahlt das auf alle im Team und auf das gesamte Projekt ab.
Kognitive Belastung der Jury
Stell dir die Gehirne der Jury wie einen Computer vor. Jeder neue Sprecher ist wie ein neues Programm, das geöffnet wird. Zu viele offene Programme: System überlastet, Absturz droht.
Die Kunst liegt darin, komplexe Inhalte so zu vermitteln, dass der „Jury-Computer“ nicht überhitzt. Ein durchgehender Sprecher, der den roten Faden hält, macht es dem Publikum leichter, zu folgen und sich zu konzentrieren.
Das Prinzip der „Single Voice“
In der Markenkommunikation spricht man von der „Single Voice“ – einer einheitlichen Stimme für die Marke. Dasselbe Prinzip macht auch Pitches stärker.
Ein Sprecher kann die „Marke“ deines Startups konsequenter verkörpern als ein Sprecher-Potpourri.
7 Ideen +1: Eine Person pitcht – dennoch werden alle aus dem Team gewürdigt
Du hast dich dafür entschieden, dass nur eine Person den Pitch präsentiert. Trotzdem willst du das gesamte Team und die Leistung eines jeden Teammitglieds würdigen, ohne dass alle ans Mikro müssen. Hier sind 7 Ideen, wie du das umsetzen kannst:
Story-Staffel: Erfolge als Teamleistung erzählen
Idee: Präsentiere Meilensteine als „Staffellauf-Geschichten“. Oder flechte im Pitch die jeweils herausragende Leistung bestimmter Teammitglieder dort ein, wo es am besten passt. Achte darauf, dass alle auftauchen, die genannt werden sollten.
Umsetzung: „Als wir vor Problem X standen, hatte Sarah die zündende Idee. Tom entwickelte daraus das Konzept, und Mias Netzwerk öffnete uns die Tür zum Kunden Y.“
Wirkung: Jedes Teammitglied taucht als unverzichtbares Glied in der Erfolgskette auf.
Visuelle Team-Map: Expertisen vernetzen
Idee: Nutze eine interaktive Mindmap oder ein Netzwerk-Diagramm – so kann das Publikum den Kontext leichter herstellen. Liste nicht einfach schnöde die Team-Mitglieder auf einem Slide auf.
Umsetzung: Zeige, wie sich die Kompetenzen der Teammitglieder ergänzen und vernetzen. Erkläre kurz die Schlüsselrolle jeder Person. Der Beitrag jedes Teammitglieds für das Gelingen des Projekts ist für die Jury viel wichtiger als seine Rolle/ Funktion im Unternehmen.
Wirkung: Verdeutlicht die Synergie im Team und die Unverzichtbarkeit jedes Einzelnen.
Zitat-Einstreuungen: Team-Stimmen einbauen
Idee: Streue prägnante Zitate deiner Teammitglieder ein. Ein 20-sekündiges Video, in dem jedes Teammitglied einen prägnanten Satz sagt, kann mehr Impact haben als fünf Live-Sprecher.
Umsetzung: „Wie unser CTO Mike immer sagt: ‚Innovation ist Teamwork in Reinform.‘ Und genau das haben wir bewiesen, als wir…“
Wirkung: Gibt jedem Teammitglied eine Stimme und unterstreicht die Vielfalt der Perspektiven, ohne aufgesetzt zu wirken. Außerdem blinkt so immer wieder im Pitch auf, dass hinter eurem Startup innovative und kreative Menschen stehen. Achte auch hier darauf, dass alle vorkommen.
Skill-Spotlight: Kompetenz-Blitzlichter setzen
Idee: Widme jedem Teammitglied ein kurzes „Skill-Spotlight“.
Umsetzung: Zeige ein Foto des Teammitglieds, liste 2-3 Kernkompetenzen auf und verknüpfe diese mit konkreten Projekterfolgen.
Wirkung: Stellt die individuellen Stärken in den Kontext des Gesamterfolgs. Die Skills der Teammitglieder interessieren die Jury.
Skill-Spotlight Pro: Kompetenz-Blitzlichter gekoppelt mit persönlichen Anekdoten
Idee: Menschen lieben Geschichten. Vor allem, wenn sie persönlich sind.
Umsetzung: Erzähl von der Nacht, in der dein CTO das entscheidende Problem löste – mit nichts als Red Bull und einer Packung Gummibärchen.
Wirkung: Solche Anekdoten machen deine Teammitglieder greifbar, ohne dass jeder selbst sprechen muss.
Risko: Die richtige Balance. Zu viel Persönliches, und du wirkst unprofessionell. Zu wenig, und du bleibst blass. Finde die goldene Mitte.
Challenge-Champions: Problemlöser hervorheben
Idee: Präsentiere Herausforderungen und ihre „Team-Champions“.
Umsetzung: „Bei der Entwicklung von Feature Z stießen wir auf Hürde A. Dank Lisas Expertise in B konnten wir diese elegant überwinden und sogar einen Innovationssprung machen.“
Wirkung: Zeigt, wie jedes Teammitglied entscheidend zum Überwinden von Hindernissen beiträgt.
Zukunfts-Zoom: Teamvisionen teilen
Idee: Lass das Team die Zukunft mitgestalten.
Umsetzung: „Alex aus unserem Entwicklungsteam sieht unser Produkt in fünf Jahren so: [Zitat/Vision]. Darauf arbeiten wir gemeinsam hin, indem…“
Wirkung: Demonstriert, dass jedes Teammitglied aktiv die Zukunft des Unternehmens mitgestaltet.
AR Team-Hologramme: Zukunftstechnologie im Pitch
Idee: Wenn du mit High-End-Technik richtig einen draufsetzen willst: Nutze Augmented Reality (AR), um dein Team als „Hologramme“ in den Raum zu projizieren.
Umsetzung: Entwickle eine einfache AR-App, die über Smartphones oder Tablets genutzt werden kann. Platziere AR-Marker im Präsentationsraum oder auf deinen Slides. Während du präsentierst, fordern die Zuschauer auf, ihre Geräte auf die Marker zu richten. „Holografische“ Abbildungen deiner Teammitglieder erscheinen, begleitet von Sprechblasen mit Kernkompetenzen oder Schlüsselbeiträgen. Du interagierst mit diesen „Hologrammen“: „Und hier sehen Sie Emma, unsere KI-Expertin.
Wirkung: Erzeugt einen beeindruckenden Wow-Effekt. Demonstriert Innovationsgeist und technische Kompetenz des Teams. Macht die Präsentation interaktiv und unvergesslich. Ermöglicht es, das Team „anwesend“ zu machen, ohne die Klarheit eines einzelnen Sprechers zu opfern.
Risiken: Sehr zeitaufwendig. Überleg dir, ob du die für diese Spielerei nötige Zeit nicht lieber aufwenden solltest, um deinen gesamten Pitch und seine Präsentation zu optimieren. Außerdem kann da technisch viel schiefgehen. Und dann ist’s kein „Wow!“, sondern ein „Buh!“
Best Practices für mehrere Sprecher
Wenn sich dein Team mit nur einem Pitchenden nicht wohl fühlt oder du wegen „Sachzwängen“ alle auf die Bühne bringen musst, dann sind hier auch für diese Fälle Tipps:
Der Zwei-Personen-Pitch: Das dynamische Duo
Bei zwei Sprechern teilen sich meist CEO (für Vision und Strategie) und CTO (für die technischen Details) die Bühne.
Vorteile: Du zeigst Teamwork, minimierst aber die Nachteile allzu vieler Sprecher. Es ist wie ein Doppel im Tennis – synchronisiert, aber mit klarer Aufgabenteilung.
Nachteile: Du musst immer noch an sauberen Übergaben arbeiten, und es besteht die Gefahr, dass einer der beiden untergeht.
Achte für den Pitch mit einem einem Wingman oder einer Wingwoman darauf, dass
die Rollen klar verteilt sind: Einer fürs Big Picture, einer für die Details. Wie Sherlock und Watson.
die Übergaben fließend sind: Übt eure Übergaben, bis sie sich völlig selbstverständlich anfühlen. Kein Stottern, kein „Ähm, jetzt du“.
ihr die Energien ausbalanciert: Achtet darauf, dass einer nicht den anderen überschattet. Ihr seid ein Team, keine Wettbewerber.
Notfall-Plan: Wenn mehr als zwei präsentieren müssen
Manchmal lässt es sich nicht vermeiden – du musst mit dem ganzen Gründungsteam auf der Bühne antreten, weil es zum Beispiel die Teilnahmebedingungen des Wettbewerbs vorschreiben. Hier deine Überlebensstrategie dafür:
Minimiere Unterbrechungen: Plant genau, wer wann spricht. Je weniger Wechsel, desto besser.
Übergabe-Choreografie: Jeder Sprecherwechsel sollte so glatt ablaufen wie ein Staffellauf bei Olympia. Üben, üben, üben.
Klare Rollen: Jeder Sprecher sollte einen klar definierten Part haben. Keine Überlappungen, keine „Ach ja, das wollte ich auch noch sagen“-Momente.
Visuelle Unterstützung: Nutzt Slides als „stille Sprecher“. Ein gut platziertes Diagramm kann manchmal mehr sagen als tausend Worte.
Zeitmanagement: Setzt jedem Sprecher ein striktes Zeitlimit. Und ja, ich meine wirklich strikt.
Fazit: Qualität schlägt Quantität – wie immer 😉
Am Ende läuft es darauf hinaus: Weniger Speaker sind beim Pitch mehr. Ein gut vorbereitete, charismatische Speaker-Person kann mehr bewirken als eine Armada von Präsentatoren.
Aber hey, jedes Startup ist anders. Jeder Pitch ist einzigartig. Es gibt keine One-Size-Fits-All-Lösung. Was zählt, ist, dass du die Vor- und Nachteile kennst und eine bewusste Entscheidung triffst.